Nicht immer schützt das Grundgesetz das Eigentum mehr als das Gemeinwohl. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wurde ein hochwertiges Baudenkmal wegen Vernachlässigung dem Eigentümer entzogen. Der Freistaat Thüringen hat mit der Enteignung der dem Verfall preisgegebenen „Schlossanlage Reinhardsbrunn“ einen Präzedenzfall geschaffen. Die in den Denkmalschutzgesetzen der Länder geregelten Enteignungsvorschriften wurden bis dahin nicht angewandt. In Thüringen entstand jedoch politischer Handlungsbedarf aufgrund der historischen Bedeutung der Schlossanlage. Das 1085 gegründete Hauskloster der Ludowinger gilt als die Wiege Thüringens und entwickelte sich im Laufe einer bewegten Geschichte zum heutigen Schlosskomplex. Nach dem Verkauf durch die Treuhand im Jahr 1990 und mehreren Weiterverkäufen folgte Leerstand und Passivität des Eigentümers, welche zu baulichem Verfall führte. Ab 2012 erfolgten Notsicherungen durch den Freistaat Thüringen, worauf im Jahr 2014 ein Gutachten zur Möglichkeit einer Enteignung ausgearbeitet und im Rahmen eines Enteignungsverfahrens von 2018 bis 2021 umgesetzt wurde. Nach Rechtskraft des Enteignungsurteils im Januar 2021 ging das Schloss auf dem Gemeindegebiet der Kommune Friedrichroda in das Eigentum des Freistaates über. Damit konnte die Bauverwaltung nach mehr als zwei Jahrzehnten der Verwahrlosung beginnen, den Niedergang des hochrangigen Bau- und Gartendenkmals zu stoppen, das Gebäude vor Vandalismus und Diebstahl zu schützen und die Verkehrssicherheit herzustellen. In Bezug auf eine zukunftsfähige Nutzung setzt der Freistaat auf eine Einbeziehung der Bürgerschaft. Im Frühjahr 2023 initiierte die Landesregierung dazu einen öffentlich-partizipativen Prozess. Im Juni 2023 fand eine Expertentagung statt, mit deren Impulsen ein integriertes, nachhaltiges und wirtschaftlich tragfähiges Nutzungskonzept gefunden werden sollte. Im Ergebnis wurde ein Ideenwettbewerb durchgeführt, bei dem 55 Nutzungsvorschläge eingegangen sind. Auf Basis dieser Vorschläge erarbeitet nun die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) ein Nutzungskonzept, das im Juni vorgestellt werden soll.
Quelle: TMIL bzw. Bauministerkonferenz (2023): 75 Jahre Bauministerkonferenz Festschrift Digital – Beitrag Thüringen, Online: https://75-jahre-bauministerkonferenz.de/beitraege/stadt-land-thuringen, letzter Aufruf: 6. Dezember 2023
Redaktionsstand: 2023
Weitere Projektbeispiele zum Handlungsschwerpunkt: Schlösser, Burgen und Kirchen (wieder) beleben
- Friedrichroda: Rettung von Schloss Reinhardsbrunn
- Zeulenroda-Triebes: Gottesdienste und Kulturveranstaltungen unter einem Dach
- Weida: Bürgernahe Nutzung der Osterburg – Spenden ergänzen Stadtumbauförderung
- Neustadt an der Orla: Modernes Leben in historischen Gemäuern
- Ruhla: Besondere Akustik für Kino und Konzerte in der St. Trinitatiskirche
- Mühlhausen: Multifunktionsnutzung auf mehreren Etagen
- Sondershausen: Von der Kirchruine zum Bürgerinformationsbüro