Den Blick über den eigenen Tellerrand wagten am 25. September 2024 in Arnstadt wieder rund 45 Vertretende aus Kommunalverwaltungen, Wohnungsunternehmen und Fördermittelgebenden des Freistaates und anderen Akteurinnen und Akteuren. Bei der nunmehr siebten Transferveranstaltung des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft (TMIL) stand erneut die mittels Städtebauförderung unterstützte Quartiersaufwertung im Mittelpunkt, diesmal erweitert um Kombinationsmöglichkeiten mit der Wohnungsbauförderung. Das Motto der Veranstaltungsreihe » Zusammen denken – gemeinsam handeln « verdeutlicht den Anspruch der ressortübergreifenden Betrachtungsweise, da die Komplexität der Herausforderungen der Stadtentwicklung eine Abstimmung auf allen Ebenen bedarf. Auf Fördermittelgeberebene beteiligten sich die für Städte- und Wohnungsbauförderung zuständigen Expertinnen und Experten des TMIL, des Thüringer Landesverwaltungsamtes und der Thüringer Aufbaubank (TAB), um auch selbst wieder mehr ins gemeinsame Denken zu kommen. Die Veranstaltung wurde mit Grußworten des Arnstädter Bürgermeisters Frank Spilling sowie des TMIL durch Herrn Abteilungsleiter Dr. Martin Gude und der für Quartiersentwicklung und Städtebauförderung zuständigen Referatsleiterin Anja Maruschky, eröffnet.
Zu Beginn erfolgte die bewährte „Kennenlernrunde“, wobei sich viele der Teilnehmenden bereits aus vergangenen Transferveranstaltungen oder anderen Austauschformaten kannten. Die themenbezogenen Tischfragen dienten als Ausgangspunkt für eine rege Diskussion und den Austausch von Erfahrungen unter den Anwesenden. Erste Antworten auf einige Fragen wurden auf Kärtchen zusammengefasst.
Zum anschließenden Quartiersrundgang im Arnstädter Zentrum wurden ausgehend vom Rathaus beispielgebende Aufwertungsprojekte vorgestellt. Neben Miklós Szatmári und Melanie Brumme von der Stadtverwaltung Arnstadt wurden die verschiedenen Standorte von den Geschäftsführenden und technischen Leitern der städtischen Wohnungsbaugesellschaft (WBG) und der Wohnungsgenossenschaft (VWG) detailliert erläutert.
Am Standort „Töpfengasse/An der Weiße“ wurden erfolgreich Städtebaufördermittel mit Wohnungsbaufördermitteln kombiniert und dadurch zahlreiche stark sanierungsbedürftige Plattenbaubestände von der WBG zu ansprechendem und nachgefragtem Wohnraum modernisiert. Dabei bot sich ein direkter Vergleich eines Vorher-Nachher-Zustandes durch noch unsanierte und bereits aufgewertete Bestände. Mit der derzeit laufenden Baumaßnahme wird zugleich die Freifläche hinter dem Rathaus gestaltet und damit das Wohnumfeld der Wohngebäude an der Töpfengasse mit Grün bereichert.
An der Rosengasse wurde zwischen den Jahren 2011 bis 2013 ein Neubauquartier im Rahmen der Thüringer Landesinitiative „GENIAL zentral“ von der VWG Arnstadt errichtet. Die Stadt erwarb zuvor die brachgefallenen Gebäude und bereitete die Fläche für den Verkauf vor (Beräumung und Altlastensanierung). Auf Grundlage eines städtebaulichen Vertrages zwischen Stadt und VWG wurden die Flächen mit dem Ziel bebaut, bezahlbaren Wohnraum und Energieeinsparungen durch den Einsatz nachhaltiger Heiztechnologien (Pelletheizung) zu schaffen. Die Finanzierung dieser Brachflächenrevitalisierung wurde von Zuschüssen der Städtebauförderung sowie vergünstigten Darlehen im Rahmen des Innenstadtstabilisierungsprogramms (Wohnungsbauförderung alte Richtlinie) und der KfW flankiert.
Am dritten Standort in der Mittelgasse bot sich ein eindrucksvoller Kontrast von Wohnformen im historischen Altstadtambiente des ehemaligen Klosters und moderner Wohnqualitäten, die ebenfalls auf einer Brachfläche realisiert wurden. Hier zeigt ein Mix aus Mietwohnungen in neu errichteten Reihenhäusern mit zwei Einfamilienhäusern, dass die ruhige und grüne Wohnlage (anspruchsvoll gestaltet im Innenhof und mit Tiefgarage darunter) verbunden mit den kurzen Wegen zur fußläufig erreichbaren Infrastruktur sehr gut angenommen werden und somit auch eine stadtfunktional sinnvolle Verortung der Eigenheimnachfrage (als Alternative zur „grünen Wiese“ am Stadtrand) möglich machen. Interessant ist hierbei auch, dass aufwertende Maßnahmen im umliegenden öffentlichen Raum erst nach dem städtebaulich gut eingeordneten Ensembleneubau realisiert wurden.
Klassisch erfolgte die Erschließung dagegen am Pfarrhof, bei dem erst der Stadtboden im Umfeld der ehemaligen Handschuhfabrik in der Kirchgasse saniert wurde und sich daraufhin lokal sehr engagierte Privatinvestoren der Gebäude angenommen und diese einer zeitgemäßen Nutzung zugeführt haben. In der Folge entstand das Hotel „Stadthaus Arnstadt“ mit besonderer Wohlfühlatmosphäre im Fachwerk und benachbarter Kaffeerösterei + Café sowie ein modernisierter Wohnhof im historischen Flair gleich gegenüber der Oberkirche mit grünem Umfeld, Brunnen und viel Schatten spendenden (Eichen-)Bäumen.
Leider nicht erhalten werden können die Bäume am Marktplatz, welche aufgrund des nicht ausreichenden Wurzelraumes bereits geschädigt sind und laut Gutachten in den nächsten 15 Jahren abgängig sein werden. Für die anstehende barrierefreie Neugestaltung ist die Stadtverwaltung seit drei Jahren in Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern, um deren Belange einzubeziehen und Verständnis für die kommenden Veränderungen zu erreichen. Dabei werden auch neuere Herausforderungen der Stadtentwicklung, wie Klimaschutz und Klimaanpassung, in vorbildlicher Weise berücksichtigt. So sollen entsprechend dem parallel erarbeiteten Konzept zur kommunalen Wärmeplanung Fernwärmeanschlüsse für die Anwohnenden am Marktplatz verlegt und diese dafür sensibilisiert werden. Für den nachhaltigen Ersatz des Baumbestandes wird zukünftig ein unterirdisches Rigolensystem installiert und miteinander vernetzt, welches dem Wurzelbestand ausreichenden Wachstumsraum zur Verfügung stellt, das Regenwasser speichert und zur Bewässerung wiederverwendet und somit wichtige Schwammstadt-Aspekte berücksichtigt. Die im Rahmen eines Vergabeverfahrens beauftragten Planer sehen sich nun mit der Herausforderung konfrontiert, die vielfältigen Nutzungsansprüche sowie die zu lösende Zielkonflikte in eine konsensfähige und von den Beteiligten gemeinsam akzeptierte Gestaltung zu überführen.
Im Anschluss an die angeregt fortgeführten Gespräche in der Mittagspause wurden weitere gute Beispiele ressortübergreifend geförderter Quartiersaufwertung in Thüringen und darüber hinaus von Steffen Groß und Michael Neitzel als Mitglieder der interdisziplinär aufgestellten Arbeitsgruppe Begleitforschung gezeigt. Dabei wurde deutlich, dass es in Thüringen durchaus einige Förderprojekte gibt, bei denen eine impulsgebende Quartiersaufwertung mittels kombiniertem Einsatz von Städte- und Wohnungsbauförderung gelungen ist, die gleichzeitig einen Beitrag zur Erhaltung städtebaulicher Strukturen und zur Vorbeugung sozialräumlicher Segregation geleitstet haben. Als wesentlicher Erfolgsfaktor kristallisiert sich dabei die gemeinsame Abstimmung der Agierenden auf lokaler Ebene für eine Abklärung zur Antragstellung bei den Fördermittelgeberstellen auf Landesebene heraus. Aufgrund unterschiedlicher Förderansätze (prinzipiell Wohnungsbauförderung auf Objektebene und Städtebauförderung im Umfeld) und Antragswege (Wohnungsunternehmen, soziale Träger oder private Investoren als Zuwendungsempfänger bei der Wohnungsbauförderung und Stadtverwaltungen bei der Städtebauförderung) besteht die anspruchsvolle Aufgabe darin, die Projekte ISEK-konform und gleichzeitig betriebswirtschaftlich vertretbar planen und umsetzen zu können. Außerordentlich hilfreich erweist sich dabei eine gemeinsame Schnittstelle bzw. vermittelnde Person zwischen den Akteurinnen und Akteuren, die sowohl den stadtentwicklungsstrategischen Hintergrund als auch die Perspektive der Eigentümerinnen und Eigentümer versteht und diese mit dem vorhandenen Fördermittelinstrumentarium sinnvoll verknüpfen kann. Das führt im besten Fall zu einem gemeinsam abgestimmten Finanzierungsplan und einer konzertierten Umsetzung des Vorhabens.
Die in der von Yvonne Samland und Robert Werner (TAB) präsentierten Voraussetzungen der Wohnungsbauförderung entsprechend der aktuell gültigen Richtlinie zeigen gemeinsame Ziele (wie z. B. die Innenstadtstabilisierung, die Aktivierung von Problemimmobilien oder auch die energetische und barrierereduzierende Optimierung) auf. Die dafür gewährten Zuschüsse verdeutlichen in Verbindung mit der relativ hohen Tilgungsquote gleichzeitig den größten Zielkonflikt. Denn die Rechenbeispiele vermindern den „Cash Flow“ der Investoren, womit die geförderten Investitionen nicht oder nur schwer wirtschaftlich darstellbar sind. Vergleichbare Investitionen ohne Förderung sind das mit dem am Markt maximal zu erzielenden Mietniveaus (aufgrund gestiegener Baukosten) in den meisten Fällen auch nicht. Die umgesetzten Fördervorhaben werden deshalb häufig in enger Kooperation von Stadtverwaltungen mit den städtischen Gesellschaften als Eigentümerinnen der Wohnungsbaubestände umgesetzt, welche ihren Auftrag zur sozialen Wohnraumversorgung wahrnehmen und gleichzeitig Synergieeffekte im Portfolio ihres Wohnungsbestandes ausschöpfen. In Arnstadt gelang die beispielhafte Quartiersaufwertung im Rahmen von Brachflächenrevitalisierungen durch Neubau und Bestandsmodernisierung in enger Zusammenarbeit von Wohnungsgenossenschaft, städtischer Wohnungsgesellschaft und privaten Akteurinnen und Akteuren mit der Stadt.
An den thematischen Stationen im World-Café-Charakter wurden mittels visualisierter Inhalte Fragen diskutiert und konstruktive Lösungsvorschläge erarbeitet. Zum Beispiel lassen sich baufällige Wohnungsbestände über die 100-prozentig geförderten Maßnahmen im Rahmen des Städtebauförderprogramms „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ sichern und nachfolgend über vereinbarte Nutzungszuführungen mit Hilfe der Wohnungsbauförderung modernisieren. Die Wünsche der Fördermittelantragstellenden bzw. –empfangenden münden im Ergebnis vor allem in einen Abbau bürokratischer Hindernisse beziehungsweise in eine transparentere Darstellung der Förderkonditionen. Auf Seiten der Wohnungsbauförderung wird diesem Anliegen mit der Erstellung von Rechenbeispielen begegnet, auf Seiten der Städtebauförderung mit der Bereitstellung von Anwendungshinweisen zur Richtlinie. Schließlich bestand Konsens sowohl unter den lokalen Akteurinnen und Akteuren als auch den Bewilligungsbehörden darin, dass sich ein intensivierter, ressortübergreifender Abstimmungsprozess künftig lohnt, um das gemeinsame Ziel – die Lebens- und Wohnqualität in den Thüringer Innenstädten zu verbessern – erreichen zu können.