„Kleinstädte im Wandel: zwischen Brachflächen, Bauen und Begegnung“ hieß das Thema der 10. Transferveranstaltung am 30. September 2025 in Bad Langensalza. Die „Jubiläumsveranstaltung“ fand mit 65 Teilnehmenden guten Anklang. Unter den Gästen waren Vertreter von Kommunalverwaltungen, Planungsbüros, Fördermittelgeberebene, Forschungseinrichtungen sowie der neu gegründeten „Kleinstadt Akademie“ des Bundes.



Bereits die Grußworte von Bürgermeister Matthias Reinz (Stadt Bad Langensalza) und Dr. Tobias J. Knoblich (Staatssekretär des Thüringer Ministeriums für Digitales und Infrastruktur) verdeutlichten, dass auch künftig ein langer Atem für die Anpassungen an den demografischen und strukturellen sowie den Klimawandel benötigt wird. Gleiches gilt für die Attraktivierung von Kleinstädten, die als Wohnstandorte nachgefragte sind. Aufgrund des Gastbeitrages der Kleinstadt Akademie fand die Veranstaltung überregionale Beachtung, unter anderem auch aus Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. „Stadtbingo“ hieß diesmal das Kennenlernspiel mit dem Erfahrungsaustausch in Kleingruppen. In diesem Rahmen lernten sich die Tischbesetzungen auch über eigens berichtete Projekte untereinander kennen.





Ein geführter Stadtrundgang von Mary Fischer (Stadtführerin) und Gerrit Haase (Stabsstellenleiter Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung der Stadt Bad Langensalza), bot den Teilnehmern wertvolle Einblicke in erfolgreiche Projekte und die Herausforderungen, die bei der Stadtentwicklung überwunden wurden. Besonders auffällig waren für viele Besucher die geringe Leerstandsquote und die zahlreichen großzügigen Grünflächen von hoher Qualität. Dafür wurden eine Vielzahl an altindustriellen Brachflächen bereits seit den 1990er Jahren Stück für Stück bzw. in nunmehr über 30 Jahren geförderter Stadtentwicklung einer zukunftsfähigen Nutzung zugeführt.






Am Standort „Oostkampstraße“ gelang über die landesweite Initiative „GENIAL zentral“ sogar eine Brachflächenrevitalisierung mit einem großzügig geschnittenen Eigenheimgebiet inmitten der Stadtmauer. Davon profitierten auch die Anwohnenden der alten Fachwerkhäuser, denn diese hatten bis dahin keine Zuwegung zur Befahrung der Grundstücke. Mit der Entwicklung des Eigenheimgebietes bekamen angrenzenden Altbauten einen rückwertigen PKW-Stellplatz. Ebenfalls auf dieser ehemaligen Brache verortet ist die geförderte Sporthalle „Oostkamphalle“, die von Schulen und Vereinen genutzt wird. Die Kombination aus kurzen Wegen, einer attraktiven Innenstadt und einer intakten sozialen und kulturellen Infrastruktur bietet hier eine hohe Lebensqualität. Im Vergleich zu Neubaugebieten am Stadtrand kann die Altstadt mit ihrem historischen Flair und ihrer zentralen Lage punkten.



Ein weiteres Freizeitangebot, das von der Stadt betrieben wird, ist die sogenannte „Rumpelburg“. Dieser Spiel- und Erlebnisraum ist in zwei Fachwerkhäuser und einen großen Hinterhof integriert wurden. Den Ausbau übernahm das Team der Kulturinsel Einsiedel. Der außergewöhnliche Spielort besitzt mittlerweile überregionale Anziehungskraft und lockt somit nachweisbar vermehrt Familien in die Altstadt.



Ein engmaschiges Netzwerk lokaler Akteure hat sich als wirkungsvolles Instrument zur Reduzierung von Leerständen erwiesen. Dieses umfasst unter anderem die Stadtverwaltung, den örtlichen Gewerbeverein, den Sanierungsträger DSK, den Erprobungsraum als Projekt der evangelischen Kirche und den Zwischenweltenverein Zwiwel. Das Citymanagement „Kleinstadt Manufaktur“ hat bereits eine zweiten Förderperiode erreicht und strebt eine langfristige Etablierung an.


Auch die damals stark verfallene Gottesackerkirche erstrahlt in nicht selbstverständlicher Weise heute in neuem Glanz und dient Dank ihrer hervorragenden Akustik zahlreichen Konzerten als Veranstaltungsort. An das sanierte Kirchgebäude schließt das Arboretum an, ein Baumpark als weitere, sehr ausgedehnte Grünfläche zur Erholung, die aufgrund jahreszeitlicher Veränderungen des Grünbewuchses einen besonderen Reiz ausstrahlt.



Die Stadt wurde 2011 zur blühendsten Stadt Europas gewählt. Einen Teil dazu hat auch die Bürgerschaft beigetragen, indem sie (bis heute) über 1000 Bäume für die Stadt gespendet hat. Die Pflege wird in den meisten Fällen jedoch von der Stadt übernommen, um die hohe Qualität als Kurstandort sicherzustellen. Zudem stellt die Stadt in Kooperation mit den Gewerbetreibenden an gastronomischen Einrichtungen von Frühjahr bis Herbst große Pflanzkübel zur Verfügung. Im Sortiment befinden sich auch nicht winterharte Bäume wie Oliven oder Palmen. Die Kübel werden in einem großen Gewächshaus überwintert, bis sie dann zum Frühjahrsputz wieder in die Stadt chauffiert werden.




Um der Stadtentwicklung mit zahlreichen Denkmälern im Sinne heutiger Nutzungsansprüche und gleichsam authentischer Sanierung gerecht zu werden, gab es zahlreiche Abstimmungen mit den Denkmalschutzbehörden. So prägen einheitlich gestaltete Pergolen im Stahlrahmendesign das Stadtbild und zeichnen den ehemaligen Verlauf von Stadtmauer oder Gebäudekanten nach. Die Gebäudeansichten vermitteln eindrucksvoll, mit welchem Aufwand die Charakteristika der historischen Altbauten erhalten wurden. Max Horrmann von der DSK erläuterte als Sanierungsberater, wie dafür Dachstühle mit Laser vermessen und mit Hilfe von CNC-Technologie originalgetreu erneuert wurden. Auch in Hinblick auf die Gestaltung der öffentlichen Wege und Plätze zeichnet sich eine konsequent einheitliche Gestaltung nach dem Stadtbodenkonzept aus. Für den Bodenbelag, der größtenteils auch für Rollatoren geeignet ist, wurde teilweise lokales Travertin-Gestein verwendet. Dieses Gestein stammt aus dem altstadtnahen Steinbruch und wurde auch für die historischen Gebäude wie die Kirchen und das Rathaus genutzt.

Am Nachmittag berichtete Siw Foge als Leiterin der Kleinstadt Akademie vom ersten bundesweiten Kleinstadtkongress im Juni 2026 in Wittenberge. Sie erläuterte auch die Entstehung und das Ziel des Netzwerkteams: die Kleinstädte in Deutschland künftig besser zu vernetzen um voneinander zu lernen und ihnen im Zuge bundespolitischer Entscheidungsprozesse eine stärkere Lobby zu geben. Zuversichtlich stimmende Impulse aus der Thüringer Kleinstadtentwicklung gab Steffen Groß als Koordinator der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Begleitforschung“. Dr. Daniel Kretzschmar beleuchtete als Mitarbeiter der Professur für Landmanagement an der TU Dresden sowie des Büros „Prognose und Planung“ die Herausforderungen im Bereich Eigenheim- und Wohnungsbau. Sein Schwerpunkt lag dabei auf der Analyse von Wohnungsnachfrage und Potenzialflächen, mit dem Ziel, den Bedarf an Eigenheimen in Innenstadtlagen zu decken, anstatt Neubaugebiete am Stadtrand auszuweisen. In Bad Langensalza ist es – wie auch bspw. in Sömmerda oder Nordhausen – im Verbund mit weiteren Bestandssanierungen im Umfeld gelungen, die zentralen Stadtquartiere mit attraktiven Wohnqualitäten in der Altstadt aufzuwerten und somit einem Wegzug bestimmter Haushaltsgruppen vorzubeugen.



Eine Podiumsdiskussion brachte zentrale Aspekte zum Vorschein, die Kleinstädte von Großstädten unterscheiden. Es wurden sowohl die Vorteile als auch die Herausforderungen von Kleinstädten diskutiert. Einerseits können Kleinstädte durch kurze Wege, eine überschaubare Akteurslandschaft und eine starke Stadtleitung schnell voranschreiten. Andererseits kämpfen sie mit Problemen wie Überforderung, Fachkräftemangel und Finanznot.
Die Diskussion konzentrierte sich auch auf die Frage, wie freiwillige und Pflichtaufgaben einer Kommune definiert werden können, insbesondere in Phasen der Haushaltskonsolidierung. Ein weiterer wichtiger Punkt war die Innenentwicklung und die Frage, wie die Nachfrage nach Eigenheimen in den Städten gedeckt werden kann.
Es wurde deutlich, dass eine fundierte Analyse der Nachfrage nach Eigenheimen erforderlich ist, um Potenzialflächen zu identifizieren und eine nachhaltige Innenentwicklung zu fördern. Die Diskussion zeigte auch, dass eine sorgfältige Flächenplanung und -nutzung erforderlich ist, um die Bedürfnisse der Stadtbewohner zu erfüllen.
Insgesamt wurde die Bedeutung einer bedarfsgerechten und nachhaltigen Entwicklung von Kleinstädten hervorgehoben, die sowohl die Chancen als auch die Herausforderungen dieser Städte berücksichtigt.

Anja Maruschky fasste die Ergebnisse in gewohnter Klarheit zusammen und resümierte, dass der enge Kontakt zwischen Ministerium und Kommunalverwaltungen ein wichtiger Erfolgsfaktor dafür ist, die Städtebauförderung auch künftig bestmöglich an den lokalen Bedarfen auszurichten. Der kommunalen Selbstverwaltungshoheit sollten dabei mit angemessenem Vertrauen mehr eigene Entscheidungsspielräume gegeben werden.
Programm der 10. Transferveranstaltung
Präsentation Steffen Groß Arbeitsgruppe Begleitforschung
Präsentation Dr. Daniel Kretzschmar Thema Eigenheimpotenziale