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Begleitforschung zum Stadtumbau im Freistaat Thüringen

Der Stadtumbau wird im Freistaat Thüringen als Daueraufgabe einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung verstanden und von der Arbeitsgruppe „Begleitforschung“ beobachtet. So komplex wie die Stadtentwicklung ist, so ressortübergreifend und interdisziplinär erfolgt auch die Betrachtung des breiten Themenspektrums. Der Erfahrungsaustausch zwischen den Akteurinnen und Akteuren erfolgt mittels regelmäßiger Konferenzen und Transferveranstaltungen zu wechselnden Schwerpunktthemen und den Stadtumbau-Bereisungen. Im Rahmen der letzten Stadtumbau-Bereisung wurden alle 42 Monitoringkommunen im Zeitraum von 2016 bis 2021 besucht. Dieser Erfahrungstransfer leistet einen wertvollen Beitrag zur kontinuierlichen Weiterentwicklung der Städtebauförderpolitik. Die Ergebnisse aus Landesmonitoring, Konferenzen und der Arbeitsgespräche mit den Akteurinnen und Akteuren vor Ort werden im Rahmen der regelmäßig erscheinenden Monitoringberichte dokumentiert. Durch die langjährige Beobachtung wird es möglich, die Entwicklung wichtiger Indikatoren von Stadtumbauprozessen in Zeitreihen darzustellen, Erfolgsfaktoren und Hemmnisse zu identifizieren und daraus Handlungsempfehlungen für die kommunalen Akteurinnen und Akteuren und die Förderpolitik auf Bundes- und Landesebene zu geben. Im Ergebnis der langjährigen Beobachtungen wird deutlich, dass Leerstände abgebaut und zahlreiche Aufwertungsprozesse umgesetzt werden konnten. Dadurch wurden vor allem die Innenstädte als zentrale Orte der Begegnung und Identifikation gestärkt. Für die meisten altstädtischen Monitoringgebiete lässt sich beispielsweise eine Stabilisierung der Einwohnerzahl entgegen dem gesamtstädtischen Trend belegen. Anhaltender Einwohnerverlust und zunehmende Alterung der Bewohnenden – insbesondere in den DDR-Wohnbauquartieren – zeigen aber nach wie vor große Anpassungsbedarfe auf. Hinzu kommen neue Herausforderungen wie Digitalisierung, energetischer und klimaresilienter Stadtumbau, soziale Integration oder auch ein drohender Verlust der innerstädtischen Leitfunktion Einzelhandel. Schließlich kann beobachtet werden, dass sich die Probleme bei zunehmender regionaler Differenzierung in den ländlichen Raum verlagern, während die (kleineren) Städte als Ankerzentren fungieren und ressortübergreifender Abstimmungsbedarf mit den Verantwortungstragenden der umliegenden ländlich geprägten Gemeinden steigt. Dadurch wird deutlich, dass der Stadtumbau als zunehmend komplexe Aufgabe im Sinne einer zukunftsfähigen Entwicklung von Siedlungsstrukturen Bestand haben wird und sowohl Förderpolitik als auch Monitoring kontinuierlich an die sich ändernden Rahmenbedingungen angepasst werden müssen. Im Zuge des ausgelaufenen Solidarpaktes Ende 2019 wurde mit der VV 2020 eine von Bund und Ländern abgestimmte Reduzierung der Programmzahl im Bereich der Städtebauförderung auf die drei Programme „Lebendige Zentren“, „Sozialer Zusammenhalt“ und „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ beschlossen.

Ausgangssituation

Nach der politischen Wende im Jahre 1989 gefährdeten Probleme wie sinkende Einwohnerzahlen und zunehmende Wohnungsleerstände im Freistaat die soziale Stabilität und Funktionsfähigkeit der Städte. Die Wohnungsunternehmen standen dabei vor besonderen betriebswirtschaftlichen Herausforderungen. Diese Entwicklung war für das ehemalige Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Medien frühzeitig Anlass zu gezieltem Handeln.
Seit der Auflage des Bund-Länder-Förderprogramms „Städtebauliche Weiterentwicklung großer Neubaugebiete“ im Jahr 1993 wurden im Freistaat erste Planungen und Maßnahmen zur Wiedergewinnung eines quantitativen und qualitativen Gleichgewichts zwischen Wohnungsnachfrage und Wohnungsangeboten gefördert. Mit fortschreitender Entwicklung wurden auch die übrigen Programme der Städtebauförderung verstärkt im Sinne gesamtstädtischer Stadtumbaustrategien eingesetzt. Dabei wurde nach wie vor ein Schwerpunkt auf die Aufwertung der historisch gewachsenen Innenstädte als wesentliches Identifikationsmerkmal ihrer Bewohnerinnen und Bewohner gesetzt. Mit der Thüringer Innenstadtinitiative und der Initiative „Genial Zentral“ engagierte sich der Freistaat mit zusätzlichen, ausschließlich landesfinanzierten Förderprogrammen. Aber auch der Rückbau von nicht mehr vermietbaren Wohnungen wurde in einem Programm des Landes zur Wohnungsmarktstabilisierung unterstützt.
Inzwischen hatte der Bund durch die Auflage des mit langfristiger Finanzierungsperspektive ausgestatteten Programms „Stadtumbau Ost“ und mit der Durchführung des gleichnamigen Bundeswettbewerbs eine Basis für integrierte Stadtumbauprozesse geschaffen.

Bundeswettbewerb Stadtumbau Ost

Am Bundeswettbewerb im Jahr 2002 hatten bei insgesamt 261 eingereichten Stadtentwicklungskonzepten 37 Thüringer Städte und Gemeinden teilgenommen.
Die Städte Leinefelde und Rossleben hatten in ihrer jeweiligen Bewertungsgruppe den ersten Preis gewonnen, die Entwicklungskonzeption der Stadt Sondershausen wurde mit dem zweiten Preis gewürdigt. In die engere Wahl wurden die Städte Artern, Lobenstein und Zeulenroda eingeordnet.
Unabhängig von der Bewertung der Wettbewerbsbeiträge durch die Jury ist festzuhalten, dass durch den Bundeswettbewerb ein erheblicher planerischer Fortschritt in der Entwicklung von kommunalen, städtebaulichen und wohnungswirtschaftlichen Konzepten zum Stadtumbau erreicht werden konnte. Damit waren in Thüringen fast flächendeckend die Voraussetzungen für die Einleitung und Umsetzung zielführender Maßnahmen des Stadtumbaus geschaffen worden.

Einrichtung einer interdisziplinären Arbeitsgruppe für die Begleitforschung in Thüringen

Bis zum Start des Programms Stadtumbau Ost gab es nur wenige Erfahrungen mit der Umsetzung von Stadtumbau- und Rückbaukonzeptionen unter Schrumpfungsszenarien. Der Freistaat war deshalb der Überzeugung, dass der breitangelegte Prozess des Stadtumbaus einer intensiven Beobachtung und Unterstützung insbesondere hinsichtlich der zielführenden Wirkung von Strategien und Maßnahmen sowie der Förderprogramme und des Fördermitteleinsatzes bedarf.
Aus diesem Grunde wurde eine Begleitforschung initiiert, die unter der Federführung der Stadt Leinefelde-Worbis den Fortschritt des Stadtumbaus in Thüringen kontinuierlich auswertet und die Ergebnisse in einen intensiven Erfahrungsaustausch mit den Monitoringstädten und dem Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft einbringt. Beauftragt wurde im Ergebnis eines Verhandlungsverfahrens nach europaweiter Ausschreibung eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe (AG), in der die Fachrichtungen Stadt- und Landschaftsplanung, Architektur, Wohnungswirtschaft, Demografie und Sozialplanung sowie technische Infrastruktur vertreten sind. Dabei ist zu erwähnen, dass das Monitoringsystem von Beginn programmübergreifend angelegt war und den Stadtumbau als ganzheitlichen Prozess im Rahmen einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung verstanden hat.
Im Rahmen des Thüringer Landesmonitorings zum Stadtumbau werden seit dem Jahr 2002 von 42 Monitoringkommunen (dabei alle Thüringer Städte über 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner) sowie von ca. 200 Monitoringgebieten in diesen Monitoringkommunen regelmäßig Daten zu verschiedenen Themenbereichen erfasst und mit Daten anderer Quellen (z.B. Agentur für Arbeit, vtw, TLS, TLVwA) auf verschiedenen räumlichen Ebenen in einem gesonderten Datenpool beim Thüringer Landesamt für Statistik gesammelt und ausgewertet. Seit 2013 werden auch die Daten aus dem elektronischen Monitoring des Bundes genutzt. Durch eine Datenharmonisierung beider Erfassungssysteme werden die Kommunen entlastet und gleichzeitig Informationsgewinne erreicht.

Zusammenführung der Stadtumbauprogramme Ost und West und Neustrukturierung der Städtebauförderung

Die Evaluierung von Stadtumbau Ost und West hatte im Jahr 2016 die Wirkung beider Programme eindrucksvoll nachgewiesen. Deshalb wurden die beiden Förderprogramme zusammengelegt und fungierten neben den anderen Bund-Länder- sowie Thüringer Landesprogrammen als erfolgreiches Element der Städtebauförderung. Seit dem Programmjahr 2020 wurde die Programmanzahl der Städtebauförderung auf folgende drei Bund-Länder-Programme reduziert:

– Lebendige Zentren – Erhalt und Entwicklung der Orts- und Stadtkerne
  (ehemals vorwiegend „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ und „Städtebaulicher
  Denkmalschutz“)
– Sozialer Zusammenhalt – Zusammenleben im Quartier gemeinsam gestalten
  (ehemals „Soziale Stadt“)
– Wachstum und nachhaltige Erneuerung – Lebenswerte Quartiere gestalten
  (ehemals vorwiegend „Stadtumbau“).

Im Rahmen des Landesmonitorings wird diese neue Struktur berücksichtigt. Außerdem werden Auswirkungen der Coronakrise auf kommunale Arbeitsbereiche der Stadtentwicklung erfasst. Programmübergreifende Querschnittsthemen wie Digitalisierung oder auch Klimaschutz und Klimaanpassung wurden im Rahmen des Landesmonitorings schon frühzeitig in die Betrachtung einbezogen.

Arbeitsgruppe der Begleitforschung zum Stadtumbau im Freistaat Thüringen

Internetauftritt der 42 Monitoringkommunen

Internetlinks zu beteiligten, kooperierenden und unterstützenden Behörden, Institutionen, Verbänden sowie Initiativen